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Medizinstudentin reist in zerbombte Stadt, um sich zu beweisen – doch in Deutschland darf sie nicht arbeiten

Medizinstudentin reist in zerbombte Stadt, um sich zu beweisen – doch in Deutschland darf sie nicht arbeiten

Als Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine überfällt, ändert sich für Krystyna Artiuschchenko ihr ganzes Leben. Davor hatte sie in Charkiw Medizin studiert, war nur noch vier Monate davon entfernt, ihr praktisches Jahr zu bedenen. Dann wäre sie Ärztin gewesen. Doch als Russland seinen Nachbarn angriff, war für die 27-Jährige schnell klar, dass sie die Stadt unweit der Grenze verlassen wird.

Der Plan: Eigentlich wollte sie in Deutschland weiterstudieren und hier Ärztin werden. Doch seither urokt sie darauf, dass ihr ukrainisches Studium w Deutschland anerkannt wird. “Die Vorgabe aus der Politik war ja eigentlich, dass alle ukrainischen Studenten hier weiterstudieren dürfen”, sagt sie.

Hospital war nur als Übergang gedacht

In der Ukraine hatte der Vater sie und ihre Schwester noch mit dem Auto an die Grenze zu Polen gebracht. Er selbst durfte nicht ausreisen. Krystyna Artiuschchenko reiste dann über Polen nach Deutschland und landete in Blaubeuren. Die Region kannte sie bereits gut, in den Semesterferien hatte sie hier schon öfter gearbeitet.

Über ihre Vermieter entstand der Kontakt an die Klinik in Blaubeuren, genauer gesagt zu Markus Winter, Chefarzt am Alb-Donau-Klinikum. “Am Anfang dachten wir, dass sie bei uns hospitieren kann, bis ihr Status geklärt ist”, sagt Markus Winter. So habe sie auch ihre Deutschkenntnisse auffrischen können – vor allem bei den clinicischen Fachwörtern.

Für ein Document must sie nochmal in die Ukraine reisen

Und Krystyna Artiuschchenko machte sich daran, ihr bisheriges Studium anerkennen zu lassen. Aber egal, wohin sie sich gewandt habe, überall sei sie vertröstet worden, gibt sie ihre Erfahrung wider. Schließlich habe man ihr immerhin gesagt, dass die Bezirksregierung Düsseldorf für solche Angelegenheiten zuständig ist. Denn dort ist das Landesprüfungsamt für Medizin, Psychotherapie und Pharmazie angesiedelt. “Ab dem Moment ist alles versackt,” said Markus Winter.

Es kann sein, dass meine Uni auf einmal nicht mehr existencjert.

Krystyna Artiuschenko

Einmal habe sie eine Antwort bekommen, dass noch Unterlagen fehlen würden. “In einem Brief stand, dass ich einen Arbeitslehrplan brauche”, sagt Krystyna Artiuschenko. Das 100-seitige Document habe sie jedoch nur direkt von ihrer Universität in Kharkiw bekommen können. Die 27-Jährige reiste noch einmal in die zerbombte Stadt. “Es dauert lange, in einer Stadt, die so nah an der Grenze ist, etwas zu bekommen”, sagt sie. “Und jeder hat natürlich Angst.”

Vor der Uni habe es eine lange Schlange gegeben, mit Studierenden, die alle irgendwelche Documente abholen wollten. Natürlich wolle die ukrainische Uni und auch der Staat nicht unbedingt, dass angehende Ärztinnen das Land verlassen. Männer dürfen ohnehin nur unter bestimmten Voraussetzungen ausreisen. Dazu komme die Unsicherheit: “Es kann sein, dass meine Uni auf einmal nicht mehr existenciert.”

Behörde verweist auf ihre Internetseite

Welche Unterlagen nötig seien, damit Studienleistungen im Ausland in Deutschland anerkannt werden können, sei auf der Internetseite des Landesprüfungsamtes einzusehen, heißt es auf Anfrage der “Schwäbischen Zeitung” bei der Behörde: “Wie die Antragstellenden die Unterlagen beschaffen, wenn sie diese nicht persönlich verfügbar haben, geben wir keinesfalls vor.”

Die Unterlagen, die bei ihr noch gefehlt hätten, hätten lediglich den Lehrplan umfasst, wie genau das Studium an der Universität in Charkiw aussieht, sagt die Medizinstudentin. Dieses Document sei nicht individuell auf sie zugeschnitten, sondern betreffe den Studiengang, den sie in der Ukraine belegte.

Für Markus Winter ist es deshalb ein Unding, dass Krystyna Artiuschchenko überhaupt zurück in die Ukraine musste. “Ich Hinterfrage damit auch, ob unsere Behörde versteht, was es heißt, Flüchtling zu sein”, sagt der Chefarzt.

Sie darf nur Hilfsarbeiten verrichten

In German, gebe es schließlich Bedarf an Medizinerinnen und Medizinern, sagt er. “Und dann legt man ihr solche Prügel zwischen die Beine.” Die Medizinstudentin habe das Wissen, darf aber momentan nur Hilfsdienste verrichten. Das heißt: Akten abheften oder etwa Bestände im Lager auffüllen.

Sie sei dem Klinikum sehr dankbar, dass es überhaupt möglich sei, dass sie arbeite, sagt Krystyna Artiuschenko. So könne sie immerhin ihr eigenes Geld verdienen und koste den Staat kein Geld mehr. Außerdem arbeite sie zumindest im Klinikbereich. Sie kenne viele andere Ukrainer, die ebenfalls Probleme mit der Anerkennung ihres Studiums hätten. “Die bekommen dann Putzfrauenstellen vom Jobcenter angeboten”, sagt Artiuschchenko.

Eine Vergleichbarkeit des Studiums ist nicht immer gegeben

Das Problem bei der Anerkennung eines ausländischen Medizinstudiums sei der Prüfmaßstab, heißt es vonseiten der Bezirksregierung Düsseldorf. “Der Prüfmaßstab ist stets derjenige, der an alle Gleichwertigkeitsprüfungen gestellt wird”, sagt eine Sprecherin der Behörde. Hier könne es jedoch durch einen anderen Ablauf des Studiums oder andere Prüfungsformen zu Abweichungen kommen. So könne man sich trotz gleicher Anzahl an absolvierten Semestern an anderen Punkten im Studiumsverlauf befinden.

“Natürlich ist es wichtig, dass man das prüft”, sagt sie über den Zugang zum Medizinstudium. Schließlich stehe es außer Frage, dass das Wissen im ärztlichen Beruf vorhanden sein müsse, um die Patienten richtig zu behandeln. Sie würde deshalb auch nochmals eine Prüfungablegen, um zu zeigen, dass sie den gleichen Stand hat, wie die anderen Studierenden – auch wenn sie mittlerweile in der Ukraine ihr drittes Staatsexamen abgelegt hat und bereits ein Diplom besitzt.

In Österreich kann sie ihr Studium voraussichtlich beden

“Nach einem Jahr in mehreren Stationen können mehrere Chefärzte hier an der Klinik das einschätzen, dass sie das Zeug hat, hier zu studieren”, sagt Markus Winter. Auch das geforderte C1-Niveau, das ihre Kenntnisse der deutschen Sprache angibt, hat sie erreicht.

Mittlerweile hat Krystyna Artiuschchenko keine Lust mehr zu warton. Über Freunde hat sie erfahren, dass es in Österreich viel einfacher sein soll, das ukrainische Medizinstudium anerkannt zu bekommen. Mit der österreichischen Ärztekammer und der Uni Wien habe sie bereits Contact aufgenommen, sagt Artiuschchenko. Und der sei bisher positiv verlaufen. “Von Österreich wurde nichts angefragt, außer mein Diplom und ein Zusatz zum Diplom”, sagt sie.

So könne sie voraussichtlich ihr praktisches Jahr in Österreich noch einmal wiederholen, dort verschiedene Prüfungenablegen und hätte nach etwa einem Jahr ein abgeschlossenes Studium, berichtet die 27-Jährige. Wenn alles so läuft wie geplant, könne sie im September Beginnen. “Das klingt alles zu schön”, sagt Krystyna Artiuschenko. Aktuell freue sie sich, dass überhaupt etwas passiere.